
Cisgenetik
Bearbeitungsstand: 23. August 2008, Martina Adams, Weilburg, Pomologen-Verein e.V.
Der Begriff Cisgenetik taucht derzeit immer häufiger in der Gentechnik-Diskussion auf, und wird als
mögliche Lösung für das so kontrovers diskutierte Thema Agro-Gentechnik gehandelt. Auch als mögliche Alternative für den Ökolandbau ist die Cisgenetik im Gespräch.
Bei den meisten gentechnisch veränderten Organismen wurde in der Vergangenheit artfremdes Erbmaterial eingebaut. So enthält beispielsweise der gentechnisch veränderte Mais MON 810 Gensequenzen des Boden-Bakteriums Bacillus thuringensis, um in der Maispflanze eine Resistenz
gegen Maisschädlinge zu erzielen. Per Gentechnik erzeugte Organismen, die artfremdes Erbgut in sich tragen, nennt man transgen (lateinisch: trans = jenseits; transgen = Verwendung von Genen
jenseits der Artgrenzen). Baut man nun in einen Organismus per Gentechnik arteigene DNA-Abschnitte ein, so entsteht ein cisgenes Lebewesen (lateinisch: cis = diesseits; cisgen =
Verwendung von Genen diesseits der Artgrenze).
Der große US-amerikanische Nahrungsmittelkonzern J.R. Simplot in Idaho arbeitet derzeit mit
Hochdruck an einer cisgen veränderten Kartoffelsorte mit Namen "Russet Boise", der drei Kartoffel-Gene so eingebaut wurden, dass bei der Herstellung von Pommes frites aus dieser Knolle kein
gesundheitsschädliches Acrylamid mehr entsteht. Es hat bereits Freilandversuche und Test-Essen mit Verkostung gegeben. Simplot will die Kartoffel in fünf Jahren auf den Markt bringen.
In der Schweiz und in den Niederlanden forschen Wissenschaftler an cisgenen Apfelbäumen.
Beispielsweise will man bei wichtigen Marktsorten durch den Einbau von bestimmten Apfelgenen eine Resistenz gegen eine der wichtigsten Apfelkrankheiten, den Apfelschorf, erreichen.
Nach der EU-Freisetzungs-Richtlinie müssen auch die cisgenen Pflanzen als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) zugelassen und gekennzeichnet werden.
Das ist nicht in allen Ländern so, beispielsweise müssen cisgene Pflanzen in Australien weder besonders zugelassen noch gekennzeichnet werden.
Befürworter der Cisgenetik sehen in cisgenen Pflanzen kein Sicherheitsrisiko und halten sie für
ebenso harmlos, wie konventionell gezüchtete Pflanzen (z.B. Henk Schouten vom PRI Wageningen). Sie begründen diese Haltung u.a. damit, dass keine artfremden Gene sondern nur Gene von
kreuzungsfähigen Verwandten genutzt werden, die auch auf natürliche Weise durch Bestäubung übertragen werden könnten. Es könne daher auch kein artfremdes Erbgut auskreuzen.
Einige Wissenschaftler, u.a. Bernd Müller-Röber von der Universität Potsdam, fordern, cisgene
Pflanzen rechtlich nicht als gentechnische Produkte zu behandeln, sondern genauso wie natürlich gekreuzte Sorten. Sie müssten dann kein gesondertes Zulassungsverfahren durchlaufen und
brauchten nicht gekennzeichnet zu werden.
Aus Sicht von anderen Wissenschaftlern sollten die cisgenen Organismen genauso kritisch betrachtet werden wie die transgen erzeugten. Ihre Argumente:
Die Methodik des Gentransfers unterscheidet sich nicht. Bei der Cisgenetik werden dieselben Transformationstechnologien wie bei der Transgenetik angewandt. Es gibt also keinen Unterschied
in der Technik, sondern nur in der Herkunft des zu übertragendenden Gens. Die genunabhängigen Riskiofaktoren bleiben bestehen:
- Bei der Gentechnik ist (in der Regel) nicht steuerbar, an welcher Stelle das künstlich übertragenen Gen eingebaut wird (Insertionsstelle).
- Je nach Position eines Gens in der DNA kann es unterschiedliche Effekte entfalten (Positionseffekte).
- Auch die Problematik der Kopienzahl und damit des Dosiseffekts bleibt bestehen.
- Durch die gentechnische Manipulation erfolgt ein Eingriff in die natürliche Stoffwechsellage
des Organismus, der ggf. unerwartete Stoffwechselprodukte auslösen könnte, z.B. allergieauslösende Substanzen.
Einige Kritiker befürchten eine heimliche Einführung von cisgenen Pflanzen, denn Kontrollen auf
cisgenes Erbgut stehen vor dem Problem, das die cisgenen Veränderungen kaum nachgewiesen werden können, da nur arteigene DNA verwendet wird.
Autorin: Martina Adams, Weilburg, Pomologen-Verein e.V.
Quellen: www.parlament.ch www.genwood.wordpress.com www.berlinonline.de www.heise.de
Fact Sheet der Schweizer Arbeitsgruppe Gentechnologie SAG vom Oktober 2007 Handelsblatt vom 05.04.2007 Neue Züricher Zeitung vom 16.06.2008 "Nur Apfelgene in den Apfel"
Rheinischer Merkur vom 24.07.2008 "Gene ohne Monsterallüren"
Druckversion: Cisgenetik
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