Positionspapier des Pomologen-Verein e.V. zum Netzwerk “Deutsche Genbank Obst” (DGO) vom 29. September 2008
Ansprechpartner: Pomologen-Verein e.V. Bundesgeschäftsstelle c/o Joachim Brauss Deutschherrenstraße 94, 53177 Bonn, Tel.: (0228) 336 11 93, Fax: (0228) 18 07 34 25
E-Mail: info@pomologen-verein.de
Etablierung einer Deutschen Genbank Obst
Im Januar 2007 begann das Institut für Obstzüchtung (IOZ) der Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen (BAZ) als Vertreter des Bundesministeriums für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) mit der Neuorganisation einer Deutschen Genbank Obst. Das Konzept sieht eine dezentrale Erhaltung obstgenetischer Ressourcen unter
zentraler Koordination des IOZ vor. Sie stützt sich dabei vorwiegend auf bereits bestehende öffentliche Sammlungen der Länder, Kreise und Kommunen und auf die bestehende staatliche
Sortensammlung des IOZ in Dresden-Pillnitz. Durch deren Vernetzung soll die Erhaltungsarbeit effizienter und transparenter gestaltet werden. Für die Träger der Sammlungen sind derzeit keine
zusätzlichen finanziellen oder personellen Mittel vorgesehen.
Diese Initiative steht im Zusammenhang mit der Unterzeichnung internationaler Verpflichtungen wie
dem Internationalen Übereinkommen über die biologische Vielfalt (1993) und dem Internationalen Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGR, 2001) sowie
der nationalen Konzeption „Genetische Ressourcen für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten“. Daraus hervorgegangenen ist ein „Nationales Fachprogramm zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung
pflanzengenetischer Ressourcen landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Kulturpflanzen“ (BMVEL 2002). Darin formuliert der Bund Ziele und Maßnahmen, aber auch seine Zuständigkeit, die auch für
die Erhaltung der genetischen Ressourcen bei Obst gelten. Diese Ziele sind u. a.
- die Vielfalt der wildwachsenden und der kultivierten pflanzengenetischen Ressourcen
langfristig, in wissenschaftlich abgesicherter Weise und kosteneffizient in-situ und ex-situ zu erhalten
- die Vielfalt pflanzengenetischer Ressourcen (PGR) durch geeignete Maßnahmen, u. a. durch
Charakterisierung, Evaluierung, Dokumentation und züchterische Erschließung verstärkt nutzbar zu machen.
Es wird auch die Zuständigkeit des BMVEL für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung hervorgehoben
. Der Bund leitet auf Basis der bestehenden Gesetze für sich hauptsächlich eine Koordinierungsaufgabe ab. „Eine besondere gesetzliche Grundlage zur Erhaltung von PGR besteht
bisher weder im Rahmen von Bundes- noch von Ländergesetzen. Ein Gesetz zur Ratifizierung des ITPGR befindet sich gegenwärtig in Vorbereitung“ (Nationales Fachprogramm, Seite 18).
Die Position des Pomologen-Vereins
Der Pomologen-Verein e.V. arbeitet seit 1991 auf dem Gebiet der Obstsortenerhaltung. Viele seiner
Mitglieder unterhalten z. T. kleinere oder größere Sortenpflanzungen. Einen besonderen Schwerpunkt bildet die wissenschaftliche Sortenbestimmung als Voraussetzung sortenechter Erhaltungsarbeit.
Der Pomologen-Verein unterstützt die Ziele des nationalen Fachprogramms, die Obstsortenvielfalt
langfristig und kosteneffizient auf wissenschaftlichem Niveau zu gewährleisten. Er unterstützt im Grundsatz auch den dezentralen Charakter (Vernetzung bestehender Sammlungen) und den integrativen Ansatz (ex-situ-, in-situ- und on-farm-Erhaltung) der Initiative.
Der Pomologen-Verein hält jedoch die dafür vorgesehenen Maßnahmen und Mittel des Bundes für völlig unzureichend.
Unzureichend in Bezug auf Langfristigkeit
- Zwar wird der Vertrag zwischen den Vertretern des Bundes (BAZ) und den Trägern von
Sammlungen auf unbegrenzte Dauer geschlossen, er kann aber mit einer Kündigungsfrist von einem Jahr zum Ende des Kalenderjahres gekündigt werden. Eine langfristige Verpflichtung ergibt sich daraus nicht.
- Selbst für die Koordinierungsarbeit des IOZ wird bisher lediglich mit kurzzeitigen befristeten
Arbeitsverträgen gearbeitet. Ein langfristiges Engagement des Bundes ist daraus nicht abzuleiten.
- Die Erhaltungsarbeit privater, unternehmerischer und insbesondere auch öffentlicher
Initiativen stößt bereits jetzt an finanzielle und personelle Grenzen. Ihr Bestand ist langfristig nicht gesichert. Dies zeigt die Entwicklung der letzten Jahre deutlich: zahlreiche öffentliche
Sammlungen sind in den letzten Jahren aufgrund von Mittelstreichungen gerodet worden, viele Obstsorten unwiederbringlich verloren gegangen. Allein drei Reisermuttergärten (Münster,
Mainz, Veitshöchheim) wurden in den letzten 10 Jahren geschlossen. Einige der Lehr- und Versuchsanstalten für Obst- und Gartenbau, die mit ihren Obstpflanzungen im Bundes
-Obstarten-Sortenverzeichnis von 1993 noch aufgeführt sind, haben ihre Sammlungen inzwischen gerodet, reduziert oder – ohne dass ihr dauerhafter Erhalt gesichert wurde – in
private Hände abgegeben (z.B. LVA Kassel, LRGW Groß Umstadt, LVA Trier, Forschungsanstalt Geisenheim u. a.).
Unzureichend in Bezug auf wissenschaftliche Absicherung
- Für die zukünftigen Träger bedeutet die Mitarbeit an der GBO mit der vorgesehenen
Dokumentationspflicht, Charakterisierung, Sortenechtheitsprüfungen und Reiserabgaben einen erheblichen Arbeitsaufwand, der bisher schon kaum zu leisten war und der ohne zusätzliche
finanzielle Mittel auch in Zukunft kaum zu leisten sein wird. Es ist zu befürchten, dass die Genbankarbeit der Träger ohne diese Mittel auf sehr niedrigem Niveau gestaltet wird. Denn die
Sortenechtheit ist schon heute in vielen Sammlungen nicht ausreichend gewährleistet.
Unzureichend in Bezug auf Kosteneffizienz
- Kosteneffizienz muss für alle Beteiligten umzusetzen sein. Bei der derzeitigen Konzeption
werden die Kosten der Genbankarbeit fast vollständig auf die Träger der Sammlungen abgewälzt. Kosteneffizienz kann die Trägerseite unter diesen Umständen nur erreichen, wenn
sie auf personell oder finanziell aufwändige Standards verzichtet. Damit steht die Kosteneffizienz im bestehenden Verständnis des Bundes den inhaltlichen Zielen des nationalen Fachprogramms entgegen.
- Kosteneffizienz kann nicht Kostenneutralität bedeuten. Erhaltungsarbeit langfristig auf
wissenschaftlichem Niveau zu garantieren ist ohne zusätzliche Mittel für alle Beteiligten unmöglich.
Forderungen des Pomologen-Vereins
Der Pomologen-Verein fordert die Bundesregierung daher auf, mehr Verantwortung für den Erhalt der
Obstsortenvielfalt und pflanzengenetischer Ressourcen allgemein zu übernehmen und zusätzliche Mittel bereitzustellen. Er fordert den Bund weiterhin auf
- seine Koordinationsaufgabe langfristig zu gewährleisten,
- seine Zuständigkeit nicht nur auf die koordinierende Tätigkeit zu reduzieren, sondern weiter
reichende Aufgaben wahrzunehmen (Charakterisierung, Dokumentation und Prüfung auf Sortenechtheit) bzw. die Partner bei diesen Arbeiten zu unterstützen,
- insbesondere die Sortenbestimmung nach einheitlichen Standards zu gestalten und in die
finanzielle und fachliche Verantwortung eines übergeordneten Gremiums zu legen.
Der Pomologen-Verein empfiehlt allen Sammlungsinhabern, einer Mitarbeit im Netzwerk Deutsche Genbank Obst nur zuzustimmen, wenn
- von Seiten des Bundes zusätzliche Mittel sowohl für die Erhaltung einer Sorte an sich wie
auch für die wissenschaftliche Betreuung der Sammlung bereitgestellt werden,
- auf Basis dieser finanziellen Unterstützung die Zusammenarbeit vertraglich langfristig vereinbart wird,
- die Koordinationsstelle (IOZ) es sich zur Aufgabe macht, zu prüfen, ob weitere Mittel von
anderen zuständigen Bundeseinrichtungen und/oder aus Programmen der EU zu beantragen sind.
Verteiler des Positionspapiers „Deutsche Genbank Obst“ des Pomologen-Vereins:
Am 29.09.2007 wurde das Papier per E-Mail (IOZ per Brief) verschickt an sämtliche Berater
der „Deutschen Genbank Obst“ (außer Dr. Annette Braun-Lüllemann und Hans-Thomas Bosch, denen der Text bereits vorher vorlag):
BAZ – Institut für Obstzüchtung Frau Dr. M. Höfer; Frau A. Schneider Pillnitz
Pillnitzer Platz 3a 01326 Dresden
BLE Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
- Informations- und Koordinationszentrum für Biologische Vielfalt - Herrn Siegfried Harrer Deichmanns Aue 29 53179 Bonn ( Siegfried.harrer@ble.de )
Herrn Dr. Manfred Büchele, Herrn Dr. Mayr Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee KOB Bavendorf
Schuhmacherhof 6 88213 Ravensburg ( mayr@kob-bavendorf.de )
Herrn Dr. Erik Schulte Bundessortenamt Prüfstelle Wurzen Torgauer Str. 100 04808 Wurzen ( erik.schulte@bundessortenamt.de )
BdB-Baumschule John Hermann Cordes Pinneberger Str. 247a 25488 Holm ( info@cordes-apfel.de )
BdB-Baumschule Adolf Müller Mimmelager Str. 49610 Quakenbrück ( info@baum-rosenschule-mueller.de )
Dr. Dieter Beyme Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau Dezernat Pflanzenschutz
Strenzfelder Allee 22 06406 Bernburg ( dieter.beyme@llfg.mlu.sachsen-anhalt.de )
Fachgruppe Obstbau im Bundesausschuss Obst und Gemüse Herrn Herbert Knuppen Claire-Waldoff-Str. 7
10117 Berlin ( knuppen-obstbau@g-net.de )
Frau Beate Kitzmann c/o Naturschutzstation Malchow Dorfstr. 35
13051 Berlin ( beate.kitzmann@web.de )
zur Kenntnis an:
Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Referat 25 Herrn Dr. Wilbert Himmighofen Postfach 140270 [Rochusstr. 1] 53107 Bonn
Zwischen 31.10. und 20.11.2007 wurde das Papier an folgende Stellen verschickt:
Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau z. Hd. Herrn Präsidenten Peter Most
An der Steige 15 97209 Veitshöchheim
Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg z. Hd. Herrn Dr. Bäder
Traubenplatz 5 74189 Weinsberg
Forschungsanstalt Geisenheim z. Hd. Herrn Direktor Dr. Schaller Von-Lade-Str. 1
65366 Geisenheim
Universität Hohenheim Fakultät Agrarwissenschaften Versuchsstation für Gartenbau (305)
z. Hd. Herrn Dipl.-Ing. Rainer Bäßler Filderhauptstr. 169-171 70593 Stuttgart
Landwirtschaftliche Lehranstalten Triesdorf z. Hd. Herrn Dr. Niklas Markgrafenstr. 12
91746 Weidenbach
Verband der Gartenbauvereine Saarland-Pfalz e.V. Kulturzentrum Bettinger Mühle
Hüttersdorfer Str. 29 66839 Schmelz
Baumschule Alte Obstsorten Herrn Meinolf Hammerschmidt Waldweg 2 24966 Sörup
ORG GmbH z. Hd. Herrn Geschäftsführer Wiesel Ludendorf Ollheimer Str. 65 53913 Swisttal
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