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Die Pomologie ist die Lehre von den Obstarten und Obstsorten und umfasst deren Bestimmung, Beschreibung, Empfehlung und Erhaltung.
Pomona ist die römische Göttin des Obst- und Gartenbaus.

Vermehrungsmaterial

    Autor:
    Hans-Joachim Bannier
    Humboldstr. 15, 33615 Bielefeld
    Tel. 0521-121635, 
    alte-apfelsorten@web.de                      23.02.10

 

Stellungnahme des Pomologen-Vereins e.V. zu der EU-Richtlinie 2008/90/ EG „Inverkehrbringen von Vermehrungsmaterial und Pflanzen von Obstarten zur Fruchterzeugung“

Der Pomologen-Verein e.V. sieht durch die neue EU-Richtlinie
„Inverkehrbringen von Vermehrungsmaterial und Pflanzen von Obstarten zur Fruchterzeugung (Neufassung). RL 2008/90/EG
-
zur Anwendung ab 30. September 2012 , samt geplanter Regelungen zur Umsetzung der Richtlinie,
die Arbeit aller Erhaltungsinitiativen alter Sorten sowie auch das Engagement für die Erhaltung der biologischen Vielfalt im Bereich der Obstsorten akut bedroht.

A. Sortenerhaltung alter Sorten

  1. Allein der Umstand, dass nach den jetzigen Plänen künftig nur noch Sorten gehandelt werden dürfen, die zuvor einer (kostenpflichtigen) Registrierung beim Bundessortenamt unterworfen wurden, bedeutet für alle diejenigen, die sich für den Erhalt und die Vermehrung von Sorten nicht unter ausschließlich kommerziellen Gesichtspunkten einsetzen, eine unzumutbare Behinderung ihrer Erhaltungsarbeit und somit eine Gefährdung der Biodiversität im Obstbau.
     
  2. Erhaltungsinitiativen wie der Pomologen-Verein e.V., deren Mitglieder in der Summe tausende alter Sorten – lokaler wie überregionaler – erhalten und teilweise auch vermehren und auf regionaler Ebene in Umlauf bringen, können unmöglich evt. Registrierungsgebühren (die sich bei z.B. 60.- € pro Sorte und einigen tausend alten Obstsorten schnell auf mehrere 100 000.- € summieren können) bezahlen.
     
  3. Da auch die Vermehrungsbetriebe (Baumschulen) bei den begrenzten Umsatzzahlen solche Registrierungsgebühren nicht übernehmen können, ist zu fordern, dass solche Gebühren (zumindest für die zahlreichen Neben- und Nischensorten des Streuobstbaus sowie des regionalen Erwerbsobstbaus) entweder gänzlich gestrichen oder von staatlicher Seite – als staatlicher Beitrag zur Bewahrung der Biodiversität im Obstbau – komplett übernommen werden.
     
  4. Allein die für eine amtliche Sorten-Registrierung erforderliche Sortenbeschreibung oder Kurzcharakterisierung der einzelnen Sorten würde bei Antragstellern wie dem Pomologen-Verein mit seinen tausenden alter Sorten zu einem Arbeitsaufwand führen, der nicht kostenfrei geleistet werden kann. Wer soll diesen Aufwand finanziell übernehmen?
     
  5. Viele der Sorten, um deren Identifizierung und Erhaltung sich der Pomologen-Verein heute kümmert, konnten in der Vergangenheit noch nicht namentlich identifiziert werden. In der Erhaltung solcher Sorten unterscheidet sich der PV auch von staatlichen Genbanken, die i. d. R. heute nur das erhalten, was einen „offiziellen“ Namen trägt. Diese „namenlosen“ Sorten stellen heute gerade beim Obst in den deutschen Streuobst-Beständen einen Großteil der dort gefundenen Sorten dar und sind somit ein wesentlicher Faktor der Biodiversität in den Streuobst-Beständen. Ein staatliches Registrierungsverfahren, das die Sorten namentlich zu erfassen sucht, wäre ein ungeeignetes Instrumentarium im Umgang mit diesen – in die tausende gehenden – Sorten.
     
  6. Jegliche Stichtags-Regelung mit einem Datum (z.B. 2010, 2011), bis zu dem „alle“ heute existierenden Sorten gemeldet sein müssen, andernfalls sie bei späteren Meldungen mit noch erheblich höheren Zulassungsgebühren belastet würden, geht an den Erfordernissen einer Erhaltungsarbeit biologischer Vielfalt vollkommen vorbei. In der Praxis werden in den letzten Jahren jährlich hunderte alter Obstsorten aus den deutschen Streuobst-Beständen dem Pomologen-Verein zur Identifizierung vorgelegt, die nicht ohne Weiteres identifiziert werden können und daher erst einmal „namenlos“ bleiben. Wir rechnen damit, dass in den Streuobst -Beständen noch mehrere Tausend un-identifizierte Sorten stehen, die in Zukunft teilweise noch namentlich identifiziert werden können, zu großen Teilen jedoch – aufgrund mangelnder Gewährszeugen oder mangelhafter Beschreibungen in der alten Obstsortenliteratur – un-identifizierbar bleiben werden.
     
  7. Summarisch ist zu fordern, dass der gesamte Bereich der „Biodiversitäts-Sorten“ bzw . der lokalen „Landsorten“ aus dem aufwändigen Registrierungsverfahren herausgenommen wird. Dasselbe muss auch für „Nischensorten“ gelten, die teilweise auf lokaler / regionaler Ebene von kleinen Erzeugern (z.B. Brennereien, Dörrobst-Produzenten oder auch Heimatvereinen oder ähnlichen Organisationen) vermehrt und vertrieben werden. Wenn diese Betriebe oder Vereine solche Sorten von Baumschulen vermehren lassen wollen und die Baumschulen dies wegen fehlender Registrierung lt. EU-Verordnung ablehnen, wäre das das Ende der In-situ-Erhaltung der alten „Landsorten“ und der Biodiversität. Denn Biodiversität erhält sich langfristig nur durch Nutzung in dem hier beschriebenen Sinne (z.B. auf lokaler Ebene oder im Rahmen von – auch überregionalen – Spezial- oder Nischenprodukten), und nicht allein durch die Erhaltung von Sorten in Ex-situ-Genbanken.
     
  8. Sollte es bei der geplanten Registrierungspflicht bleiben (was, wenn überhaupt, nur bei voller staatlicher Kostenübernahme akzeptiert werden kann), ist in jedem Fall dafür Sorge zu tragen, dass auch nach 2012 noch eine „Nach-Nominierung“ von Sorten erfolgen kann. Biodiversität in der Landschaft ist kann nicht zum Spielball von Stichtags-Regelungen gemacht werden.

 

B. Die Zukunft der Sortenentstehung und der Züchtung im Obstbau

  1. Wenn die Pläne, dass neu entstehende (oder gezüchtete) Obstsorten ab 2012 nur noch dann in den Pflanzenhandel gelangen dürfen, wenn sie ein formelles Sorten-Zulassungsverfahren durchlaufen (mit Kosten von 3000.- € oder mehr pro Sorte verbunden ) Wirklichkeit würden, wäre dies mittelfristig eine Katastrophe für den Obstbau und die Obstzüchtung – insbesondere für eine Obstzüchtung, die nicht nur auf kurzfristige Gewinne aus Sortenschutz-Gebühren setzt, sondern eine langfristige Gesund-Erhaltung der Obstbestände im Auge hat. Dies kann keinesfalls akzeptiert werden und würde zu erheblichen Widerständen bei Obst-Anbauern führen.
     
  2. Das, was Bauern, Gärtner und Privatleute Jahrhunderte lang gemacht haben – das Auslesen und lokale / regionale Kultivieren von Zufallssämlingen – diesem schöpferischen Prozess verdanken wir heute die biologische Vielfalt unserer heutigen Kulturpflanzen! Wenn genau das in Zukunft mit derart hohen Kosten belegt werden soll, dass außer ein paar gewerblichen Profi-Züchtern (die sich Gewinne aus Sortenschutzgebühren versprechen) niemand mehr eine neu entstandene Sorte in die Vermehrung bringen kann – und sei es nur eine regionale Vermehrung – dann wäre das praktisch das das Ende eines freien Marktes der Obstzüchtung ohne Lizenz- und Sortenschutz-Gebühren. Züchtern, die ihre Züchtungsergebnisse der Allgemeinheit umsonst zur Verfügung stellen möchten, würde dies auf dem Gebührenwege praktisch unmöglich gemacht!
     
  3. Eine solche, einseitig auf die Interessen von gewerblichen Züchtungsfirmen ausgerichtete Politik kann in der Sache unmöglich toleriert werden, zumal dies langfristig mit erheblichen negativen Folgen für die genetische Vielfalt im Obstbau verbunden wäre und die langfristige Gesunderhaltung und ökologische Anpassungsfähigkeit des Obstbaus unter geänderten klimatischen Bedingungen erheblich gefährden würde:
     
  4. Denn die kommerziellen Züchter im Obstbereich greifen weltweit bereits seit rund 80 Jahren fast ausnahmslos auf dasselbe Ausgangsmaterial für ihre Neuzüchtungen zurück. Eine von mir durchgeführte Aufstellung der Verwandtschaften von Apfel -Neuzüchtungen ergab z. B., dass fast 98 % aller in den letzten 80 Jahren gezüchteten Apfelsorten (inklusive der schorfresistenten Neuzüchtungen!) von ganzen sechs „Ahnensorten“ abstammen (Golden Delicious, Cox Orange, McIntosh, Jonathan, Red Delicious und James Grieve). Nur gut 2 % dieser Apfelsorten haben keine dieser Sorten in ihrem Stammbaum (noch unveröffentlichte Aufstellung, Bannier, 2010). Eine einzige Apfelsorte (Golden Delicious) ist an 58 % aller weltweit gezüchteten Apfelsorten genetisch als „Ahnensorte“ beteiligt (bei ca. 18 % aller Sorten sogar gleich mehrfach!). Die heutigen Züchter produzieren zwar eine Vielzahl neuer Sorten, aber gleichzeitig eine nie dagewesene genetische Einfalt und Verarmung.
     
  5. Dazu kommt, dass die verwendeten sechs Ahnensorten obstbaulich zu den stark krankheits- und schädlingsanfälligen Sorten gehören (Golden Delicious = Schorf / Cox Orange = Krebs, Triebschorf, Blattläuse / McIntosh = Schorf, Mehltau / Jonathan = Mehltau, ‚Jonathan-Spots’, weitere Blattschäden / James Grieve = Krebs, Blattläuse) und diese Anfälligkeiten vielfach an ihre Nachkommenschaft vererbt haben. Und die Tendenz zu Inzucht und genetischer Verarmung in der Apfelzüchtung nimmt in der Züchtungsarbeit der letzten 2 Jahrzehnte noch immer stärker zu – inzwischen gibt es Apfelsorten, in die die „Ahnensorten“ Golden Delicious oder McIntosh bis zu vier Mal (!) eingekreuzt wurden.
     
  6. Wohin eine solche züchterische genetische Verarmung führen kann, zeigt das Beispiel der mitteleuropäischen Aprikosen-Sorten, die genetisch nicht breit aufgestellt sind und sich in der jüngsten Vergangenheit allesamt als anfällig für die Scharka-Virose erwiesen haben und im Anbau jetzt auf breiter Front durch die amerikanischen Aprikosen-Sorten ersetzt werden.
     
  7. Was wir im Falle der Aprikosen bräuchten, wäre eine breite Sämlings-Aussaat vieler verschiedener Elternsorten (auch der alten mitteleuropäischen), um aus einer größeren Zahl von Sämlingen vielleicht einige wenige scharka-resistente und allgemein gesunde Sortenklone auszulesen, zu vermehren und sie über längere Zeiträume in-situ zu testen. Genau das würde durch die neue EU-Richtlinie aber verhindert – denn statt dessen würden nur noch die ganz wenigen Sorten angemeldet, die kurzfristig dem Publikumsgeschmack bzw. den Anforderungen der Handelsunternehmen entsprechen und sich mit Gewinnaussicht vermarkten lassen. Diesen Luxus könnten sich nur noch Züchtungsinstitute oder Firmenkonsortien leisten, die auch entsprechende Werbe- und Vermarktungsaktivitäten schultern können.
     
  8. Neu entstehende Sorten mit vielleicht hervorragender Resistenz und ökologischer Anpassung würden daneben womöglich verloren gehen, weil bei hohen staatlichen Registrierungsgebühren als Hürde für eine Vermehrung im Wege stehen.       Nicht das Publikum, die Gärtner oder die Verbraucher würden somit über den Fortbestand einer Sorte in der Praxis entscheiden, sondern allein die prognostizierte Gewinnerwartung der Züchter, die die exorbitanten Registrierungsgebühren zunächst vorschießen müssen!
     
  9. Biologische Vielfalt ist ein sich unter sich verändernden Umweltbedingungen laufend fortschreibender und wandelnder Prozess. Dieser Prozess kann und darf niemals auf bürokratischem Wege – sozusagen mit „Stichtagsregelung“ – für „beendet“ erklärt werden (nach dem Motto: Biologische Vielfalt ist zwar unser Erbe aus der Vergangenheit, ab jetzt lassen wir jedoch nur noch das Erbe unserer Züchtungs-Unternehmen zu).
     
  10. Aus diesem Grunde ist zwingend zu fordern, dass auch künftig noch das Entstehen (und auch das Verbreiten!) von Zufallssämlingen, „Landrassen“ und lokal angepassten Obstsorten – ohne die zur Zeit diskutierten exorbitanten Kostenfolgen – erlaubt sein muss. Auch für neu entstehende Sorten muss es eine kostenfreie Registrierung für „Nischensorten“ geben, solange diese keine übergeordnete Marktrelevanz haben. Alles andere würde einen Aufstand in der gesamten Streuobst- und Erhaltungsszene auslösen.

 

C. Beteiligung des Pomologen-Vereins e.V. an den weiteren Beratungen

Gerade private Vereine wie der Pomologen-Verein e.V. (beim Obst) oder der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN e.V.), sind wie kaum eine andere Institution in Deutschland im Bereich der Kulturpflanzen-Vielfalt engagiert. Das gilt in ähnlichem Maße auch für zahlreiche weitere Vereine aus dem Bereich der Pflanzenerhaltung, der Pflanzenzüchtung oder des Naturschutzes oder der Gartenkultur.

Der Pomologen-Verein e.V. (bzw. zahlreiche seiner Mitglieder) ist nicht nur im Sinne einer Genbank -Erhaltung von alten Sorten aktiv, sondern zahlreiche seiner Mitglieder sind auch an Projekten zur In-situ-Erhaltung alter Sorten beteiligt.

Gerade beim Obst erhält der Pomologen-Verein mit seinen über 700 Mitgliedern heute wahrscheinlich einen größeren Bestand alter Sorten als die staatlichen Genbankpflanzungen. Nicht nur aus diesem Grunde, sollte der Pomologen-Verein e.V. bei Beratungen über Gesetze und Verordnungen, die die biologische Vielfalt sowie den Handel und den Vertrieb von Obstgehölzen betreffen, künftig grundsätzlich mit einbezogen werden.


Hinterlegte Dateien im PDF-Format:

Druckversion als PDF-Datei

Schreiben unseres Dachverbandes “Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt e.V.” vom 30.03.2010 an Frau Ministerin Ilse Aigner

Pressemitteilung Julia Klöckner (MdB) vom 30.03.2010

Rundschreiben Pomologen-Verein vom 26.04.2010

Forderungen des Pomologen-Verein bei der Umsetzung der EU-Richtlinie 2008-90

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